Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

"Hymne" auf das Schwein

Auf einem großen Bauernhof aufgewachsen, kam ich in meiner Kindheit oft mit "richtigen" Schweinen zusammen. Schweine, deren Größe an kleine Flusspferde erinnerte und vor denen wir respektvoll Abstand hielten, wenn sie ihren letzten Gang in die Waschküche antraten. Erst als sie zu Schinken, Mett oder Wurst verarbeitet den Weg in umgekehrter Richtung zurück legten, waren wir wieder zur Stelle. Uns Kindern schenkte man einen Knappwurstring und die Helfer feierten ein üppiges Schlachtefest.

Das ist Geschichte. Heute sieht man Schweine - oder das, was aus ihnen gemacht wurde - in Hülle und Fülle fast nur noch im Supermarktregal liegen - und das ungeachtet der erhobenen Zeigefinger selbsternannter Mahner, den Fleischkonsum zu reduzieren. Mögen die Mahner sich mit Maiskolben auf dem Grill zufrieden geben. Ich packe das auf den Rost, was die Schweine aus den Maiskolben gemacht und veredelt haben: Nackensteaks, Bratwürste und Eisbein. Alles Lebensmittel, die als ungesund gelten. Trotzdem bin ich sicher, die große Mehrheit der Feinschmecker und Grill Enthusiasten handelt genauso.

Komisch - beschäftigt man sich mit dem Schwein intensiver, stellt man fest, dass kaum jemand das Schwein wirklich liebt. Überall wird es heruntergemacht. Vordergründig verständlich, denn wenn Schweine im Umgang mit uns auch etwas ungemein "Freimütiges" an sich haben, reagieren sie ausgesprochen ungehalten, wenn man sie herum schupst. Dann quieken sie, dass einem himmelangst wird, beruhigen sich aber schnell, wenn für sie das angenehme Leben in Sicht ist. Ein Schlammbad zum Beispiel. Nur der Hunger bringt sie wieder auf die Pfoten. Dann können vor allem Wildschweine sich für ihren Lebensunterhalt auf der Suche nach Eicheln richtig abrackern und es macht ihnen überhaupt nichts aus, bei ihrer Wühlarbeit "saudreckig" zu werden. Wenn auch ihre Tischmanieren nicht die Besten sind - ihre Direktheit ist entwaffnend. Man weiß immer, woran man bei ihnen ist, und egal wie man sie nimmt - Sie bleiben Schweine.

Ich habe gelesen, das Schwein sei das klügste Tier auf dem Bauernhof. Doch seine körperliche Großzügigkeit, die ihm zum Verhängnis wird, wurde nicht verschwiegen, aber auch nicht besonders hervor gehoben. Unbegreiflich, denn wie eine wandelnde Speisekammer wandelt es ein Drittel von dem, was es frisst in Schnitzel oder Schinken um und übertrifft damit Rinder und Schafe um Größenordnungen, die nur ein Achtel des Gefressenen für unser Wohl an ihre Knochen heften. Und es ist ungerecht, dass die Leistungen von Schweinen genauso wie die von Dichtern erst nach ihrem Tode gewürdigt und geschätzt werden.

Ob Dreck, Kastanien oder Trüffel - Schweine fressen alles. Und - mit den üblichen Einschränkungen - sind sie sogar sauber. Als Kind beobachtete ich, wie ein Neugeborenes auf wackligen Beinen den Weg in eine ferne Ecke suchte, um sein Geschäft zu erledigen. Das macht kein anderes Nutztier! Und an der Intelligenz des Schweins habe ich seit jener Zeit keinen Zweifel mehr, als ich eine alte Sau beobachtete, die ein Problem hatte. Ihre Wiese war mit einem elektrischen Draht eingezäunt und sie wusste, dass sie einen Schlag bekommen würde, wenn sie ins saftige, verführerische Maisfeld gelangen wollte. Eine Zeitlang lief sie unschlüssig hin und her und wog offenbar Schmerz und Appetit gegeneinander ab. Dann nahm sie aus der entferntesten Ecke Anlauf und rannte, quiekend aus Angst vor dem elektrischen Schlag los und unter dem Draht hindurch.

Da sage noch jemand, das Schwein wäre "saublöd"! Eher ist das Gegenteil der Fall und vielleicht ist das einer - aber nur einer! - der Gründe dafür, dass das Schwein als "Kosmopolit" fast überall auf der Erde verbreitet ist. Es ist Lebenskünstler zu Lebzeiten und Wohltäter danach. Egal, wie man es uns "danach" serviert - es verdient sehr viel Sympathie.

  

 
 
 
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